Theorie: "Die Beschilderung „Radfahrer absteigen" soll grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, zumal sie in der Praxis nur unzureichend Akzeptanz findet. Ebenso soll eine Umleitung des Radverkehrs über die andere Straßenseite oder über einen anderen Straßenzug vermieden werden." (Freie und Hansestadt Hamburg, Baubehörde - Tiefbauamt, Planungshinweise für Stadtstraßen, Teil 9, Anlagen des Radverkehrs [PLAST 9] - Stand 12/2000, Kapitel 9.6 "Radverkehr im Baustellenbereich" - Abschnitt 9, Blatt 13), und Praxis:
am Beginn des Radweges vor der Einmündung der Kirchenstraße
hinter der Einmündung der Kirchenstraße (rund 130 Meter ab Beginn des Radweges)
bei der Einmündung Pepermölenbek (rund 200 Meter ab Beginn des Radweges)
und die Baustellenbeschilderung (Zusatzzeichen "Radfahrer absteigen und andere Straßenseite benutzen"und gelbes Zeichen 442 links)
bei der Einmündung Pepermölenbek, die den Radverkehr auf Abwege lenken (Radverkehr in Gegenrichtung ist gegenüber nicht freigegeben)
Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO vom 12.03.2005
(Az. beim VG Hamburg: 21 E 878/05)
Mein Schreiben vom 16.03.2005 an das Gericht enthielt einen Hinweis auf die PLAST 9, Kap. 9.6
Antwort der HSE vom 17.03.2005
Meine Antwort vom 23.03.2005 auf die Antwort der HSE
Wenn die HSE behauptet, daß sie nur im unmittelbaren Umfeld der Baustelle zuständig sei oder eine Vorwarnung unüblich sei:
"Soweit der Antragsteller eine Aufhebung des vor der Einmündung Kirchenstraße in der Breiten Straße aufgestellten Zeichens 237 zu § 41 Abs. 2 Satz 6 Nr. 5 StVO begehrt, fehlt es aufgrund der räumlichen Entfernung zur Baustelle bereits an der Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 2.)."
(aus dem Schreiben der HSE vom 17.03.2005 an das VG Hamburg),
so ist dies glatt gelogen. Ein schönes Beispiel kann man in der Kanzleistraße in Nienstedten bewundern (Bilder vom 24.03.2005). Da gibt es eine Baustelle, die die ganze Fahrbahn blockiert (Bild 1; Thumbnail s.u.) und mehr als 300 Meter davor an der Einmündung in die Georg-Bonne-Straße den entsprechenden Hinweis mit Verkehrsschildern (Bild 2; Thumbnail s.u.). Kfz-Führer aus der Gegenrichtung werden nicht 200 Meter, nicht 300 Meter, nein mehr als 400 Meter vor der Baustelle an der Einmündung in die Jürgensallee durch Verkehrszeichen informiert. So fies, Autofahrer in eine Sackgasse rauschen zu lassen, ist man dann doch nicht. Geht also - wenn man denn will! Nur will man beim Radverkehr halt nicht - obwohl es hier gerade mal 200 Meter Abstand zur Baustelle gewesen wären.
Antwort der Polizei vom 31.03.2005
Beschluß des VG Hamburg vom 06.04.2005
das war's dann. Zum berechneten Ende der Bauarbeiten (die aber noch nicht fertig sind),
wurde das Schild endlich am 15.04.2004 als vorübergehend ungültig abgeklebt (Bild vom 16.04.2005):
Dahinter steckt auch tatsächlich die Polizei und keine Witzbolde: Schreiben der VD 50 vom 22.04.2005
Im Juni übernahm die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) die Baustelle und fügte im St.Pauli Fischmarkt an dem in Fahrtrichtung Ost linken Radweg ein weiteres Zeichen hinzu, welches hier besonders interessieren dürfte: ein Zeichen 101 mit Zusatzzeichen 1012.32 [Radfahrer absteigen] - inhaltlich korrekt, aber schon erstaunlich in der Kombination mit dem Zeichen 442, das den Radverkehr genau auf diesen Radweg lenkt.
Und die BSU zeigte dann auch gleich, daß man Behinderungen Wochen vorher (ab ungefähr Mitte Juni 2005) in allen denkbaren Zufahrtsstraßen schon in zwei Kilometer Umkreis anzeigen kann - wenn man denn will! Man will, denn es geht ja jetzt um die armen, armen Autofahrer (Taschentuch bitte) - wenn es auch nur um Behinderungen und nicht um eine Vollsperrung geht (Bilder aus der Elbchaussee: Überblick, Werbung um Verständnis, Ankündigung; Thumbnails s.u.).
Hintergründe:
Zur Sache (zum Kenntnis- und Rechtsstand vor dem 01.10.1998):
Antwort des Senats vom 19.07.1991 auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr.Martin Schmidt (Grüne/GAL) vom 10.07.1991:
"Betr.: Radfahren in Hamburg (1) - Radfahrer absteigen" Bügerschaftsdrucksache 14/55
Antwort des Senats vom 29.09.1992 auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr.Martin Schmidt (Grüne/GAL) vom 16.09.1992:
"Betr.: Radfahren in Hamburg (25)" Bügerschaftsdrucksache 14/2523 (hier Frage 1)
Antwort des Senats vom 02.10.1992 auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Rolf Polle (SPD) vom 22.09.1992:
"Betr.: Fahrradfreundliches Hamburg (3)" Bügerschaftsdrucksache 14/2542
Antwort des Senats vom 22.06.1993 auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Helmut Hildebrandt-Hesselmann (Grüne/GAL) vom 14.06.1993:
"Betr.: Ersatzfahrbahn wegen Sielbauarbeiten" Bügerschaftsdrucksache 14/4363
Antwort des Senats vom 26.11.1993 auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Rolf Polle (SPD) vom 15.11.1993:
"Betr.: Hamburg - fahrradfreundlich? (7)" Bügerschaftsdrucksache 15/125
Zur Sache (zum Kenntnis- und Rechtsstand nach dem 30.09.1998):
In neueren Anfragen oder Stellungnahmen der Bürgerschaft bzw. des Senats zu Baustellen und Behinderungen durch Baustellen spielt das Thema Radverkehr nur noch eine untergeordnete Rolle ("Wird der Radverkehr behindert?" - "Nein, kaum."), weil es durch die PLAST 9 (Stand 12/2000) eigentlich geregelt sein sollte (vielleicht sind die Fragesteller ja auch keine aktiven Radfahrer - wer weiß?).
Vgl.
PLAST 9 (Stand 12/2000), Kap. 9.6 (Abschnitt 9 Blatt 13): "Radverkehr in Baustellen" - Text oder Kopie i.V.m.
PLAST 9 (Stand 12/2000), Kap. 4.2.7 (Abschnitt 4 Blatt 26f): "Radverkehrsführung an Engstellen" - nur Kopie
Nachtrag 2006:
Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. (AGFS):
Baustellenabsicherung im Bereich von Geh- und Radwegen -
Hinweise für alle mit Baustellensicherungen befassten Personen, 1. Auflage März 2006
Zum Verfahren:
Warum man (vermutlich nicht nur) bei der Hamburgischen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Hauptsacheverfahren gegen baustellenbedingte Behinderungen - egal, ob rechtswidrig oder nicht - auf Granit beißt:
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 10.11.1998 - Bf VI 12/96, VRS 97, 396, Text oder Kopie und
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1994 - 11 C 25.93, BVerwGE 90, 214, Text
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Erstellt am 10.03.2005
Aktualisiert am 14.05.2006